Universitätsreform

Die NEOS sind die Partei der Bildung und ständig um deren Verbesserung bemüht. Als langjähriger Universitätslehrer und Wissenschaftler fehlt es mir etwas. Die letztlich entscheidene – die akademisch qualifizierenden- Bildungseinrichtung: Universität bzw. Fachhochschule fehlt. Hier soll ein erster Aufriss einer möglichen Politik gegeben werden – auch hier ist eine grundlegende Reform nötig.

An den Universitäten erfolgte die letzte wesentliche Reform 2002 – Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) durch die ÖVP-FPÖ-Regierung (Schüssel-Gehrer-Reform). Nach § 22 UG 2002 wird eine authoritative Universitätsführung – ähnlich dem Vorstand einer AG – eingeführt: „Das Rektorat leitet die Universität und vertritt diese nach außen. Es hat alle Aufgaben wahrzunehmen,  …“. Diese Bestimmung wird in der Satzung der Universität präzisiert; an der Universität Wien bestimmt der Rektor den Dekan, der Dekan die Institutsleiter, der Rektor ist Dienstvorgesetzter der Universitätsbeschäftigten, der Rektor beruft neue Professoren, der Rektor bestimmt das Budget und die Ressourcenzuteilung, der Rektor entscheidet über die Verleihung der venia legendi etc. etc. In der Lehre hat der Senat ein wichtiges Wort mitzureden, insbes. bei den Studienplänen.

War im Kreisky-Firnberg-Modell Mitbestimmung auf Basis der Stakeholder Professoren, Mittelbau und Studenten angesagt, modifiziert durch die Busek-Reform mit der Stärkung der jeweiligen Leiter (Rektor/Dekan/Studiendekan/Institutsleiter et.), gilt nunmehr das angelsächsische Modell mit einem sehr starken – autoritären – Rektor. Ein Missgriff an der Universität Wien ist die Ernennung des Dekans für den Rektor, womit ein faktischer Durchgriff auf die Institute möglich geworden ist.

Ein wesentlicher Unterschied: ein angelsächsischer Rektor (Vicechancellor, President) muss in erster Linie Geld auftreiben – von den Studierenden, von den Stakeholdern, von den Sponsoren. In Österreich hat er eine gesicherte, wenn auch nicht übige Finanzierung. Daher hat er eine viel größere Spielwiese – er muss sich wenig um gesellschaftliche Stakeholder kümmern, auch nicht die Studierenden (die zahlen ja nicht), entscheidet ist das Wohlwollen des Universitätsrats, wo Politik und Wirtschaft viel zu sagen haben. Mit universitärer Aufsicht und Budget hat das Bildungsministerium die gleiche Macht wie früher, aber weniger Arbeit.

Unternehmen lieben durchdefinierte Prozesse und auch Bürokratie, wie die Verwaltung. An der Universität Wien sind beide Bürokratietreiber vereinbart: staatlich wie unternehmerisch mit starkem Kontrollfaktor. Diese Prozesse sind komplex, werden aber nach wie vor mit ausgedruckten PDF-Formularen und realen Aktenbewegungen und Vorsprachen erledigt. Es gibt natürlich eine brauchbare Uni-Identität, aber auf diese verzichtet man. Was fehlt – daran ist auch die Digitalisierung schuld – sind die frühere üblichen kurzen Wege, der Konsens der Beteiligten ohne viel Bürokratie.

Die vielen Aufgaben des Rektors erledigen nunmehr sogenannte Dienstleistungseinrichtungen (DLE), richtiger eigentlich Universitätsabteilungen mit Weisungs- und Kontrollbefugnis. Die universitäre Bürokratie ist emmens gewachsen und nimmt viele Ressourcen in Anspruch, die an sich für Lehre und Forschung gedacht waren.

Nur ein kleines persönliches Beispiel: die Gemeinkostenanteile von Projekten werden von der Universität einbehalten, obwohl nur bescheidene Arbeiten geleistet werden (Abrechnung von Mitarbeitern), aber wenig Unterstützung geboten wird (Aufnahme von Mitarbeitern nur, wenn es dem Rektorrat gefällt und sehr bürokratisch mit viel Vorlauf, keine Räumlichkeiten, keine Hilfe bei Abrechnungen, unzureichende Daten für Controlling der Projekte, wenig Hilfe bei Projektanträgen und kein Budgt dafür etc.).

Wohl aber scheint es, dass diese Abteilungen nun ihr Eigenleben lieben und möglicherweise viel bessere Arbeitsbedingungen vorfinden, als die Wissenschaftler selbst. Von den Studierenden möchte ich gar nicht reden, weil die Unterstützung bein Lehrprozess nach wie vor nicht den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen entspricht. Aber diese sind halb schwer einklagbar.

Die UNI BRENNT – eine sehr wichtige und von mir unterstützte Initiative 2010. Seitdem gibt es zwar mehr Geld, aber die Probleme bleiben. Studierende bekommen zu wenig Unterstützung beim Studium, insbes. bei „Durchhängern“, die Geldsorgen sind durch höhere Mieten und Lebenshaltungskosten gestiegen, die Studien dauern viel zu lange, weil sie durch den Bologna-Prozess zu verschult sind und auch unnötig verlängert wurden.

Viele Wissenschaftler haben resigniert und machen ihren Job, haben daneben weitere intensive Aktivitäten, oft mehr zum Ausleben der wissenschaftlichen Energie gedacht als durch pekuniäres Interesse. Das muss aufhören …

Daher : ein Zurück zum Busek-Modell der Stakeholder-Universität mit funktionsfähigen Leitungsorganen; ein Zurückfahren der unnötigen Bürokratie, wesentliche Autonomie der Arbeitsgruppen und Institute bei Lehre und Forschung.

Dann wird es besser – weil mit dem gleichen Budget mehr an Lehre und Forschung passiert und die Wissenschaftler wieder für die UNI brennen. Das Budget muss natürlich nach viel besser werden, aber die Basis wäre gelegt.

BRU, 12.09.24