Natürlich denken die österreichischen Parteien auch an den ländlichen Raum (und die Wähler dort), insbesondere die ÖVP. Leider sind deren Konzepte seit langem die gleichen und nahezu versteinert. In der Praxis helfen sie zwar, den größten Schwierigkeiten ein wenig abzuhelfen, aber an den Hauptproblemen der starken Reduktion der Infrastruktur, der Arbeitsplätze und damit auch der Attraktivität als Siedlungsraum ändern sie nur wenig. Man kann also ein Versagen der Politik feststellen, die sich hinter Lehrformeln wie kleinstrukturierte Landwirtschaft und Unterstützung der Politik der Förderung des ländlichen Raums versteckt.
In den letzten 40 Jahren hat man vor allem Schließungen gesehen: Fabriken, Postfilialen, Einzelhandelsgeschäfte, und nun die Wirtshäuser usw. Ein politisches Wehklagen in Sonntagsreden ist natürlich immer dabei, aber ein tiefgründiges Nachdenken über die Ursachen und mögliche Lösungsansätze fehlt vollständig.
Leider ist Österreicher Politik seit langem zu oberflächlich und emotional. Rationale Diskussionen finden eher selten statt und werden gerne beiseitegeschoben, um den üblichen „Politiksprech“ Raum zu geben und gewissermaßen ein Infotainment in Zusammenarbeit mit den Medien zu bieten.
Das hilft den Menschen nicht und schon gar jenen im ländlichen Raum. Nicht so vertraut mit den glatten Parketten in Wien und den anderen Ballungszentren, wird oft nur verwundert über das Politikspiel dort der Kopf geschüttelt.
Als NEOS Kandidat (Wahlkreis Obersteiermark) und Experte in der Generaldirektion Landwirtschaft in Brüssel, ist mir der ländliche Raum ein besonderes Anliegen und ich beschäftige mich seit langem mit möglichen Lösungsansätzen.
Meine Vorstellungen über die nächsten Schritte:
- Verdoppelung der Förderung für die kleinstrukturierte Landwirtschaft im ländlichen Raum, die in den Berggebieten erschwerte Arbeitsbedingungen hat und wichtige Umweltleistungen erbringt und damit die Renaturalisierung schon vorwegnimmt.
- Dorferneuerung soll nicht mehr nur Verschönerung sein, sondern Fokus auf Infrastruktur und Beschäftigung. Nach wie vor ist Beschäftigung und Wirtschaftsaktivität das wesentlichste Argument, im ländlichen Raum zu sein, wenn man nicht pendeln will. Natürlich muss die öffentliche Infrastruktur verbessert werden, um das Pendlerdasein zu verbessern. Aber in erster Linie soll auch Beschäftigung ländlichen Raum geschaffen werden, was sehr schwierig ist. Das Ballungszentrum hat im Zeitalter der Globalisierung alle Vorteile: ein vielschichtiges Angebot an Arbeitskräften, gute Infrastruktur, dynamische Wirtschaftsentwicklung etc. Daher muss die Förderung für Betriebsansiedlungen im ländlichen Raum stark verbessert werden.
- Telearbeit kann die Last des Pendels wesentlich erleichtern, indem eben nicht 5mal, sondern nur 2mal pro Woche die langen Arbeitswegzeiten hingenommen werden müssen. Regionale Zentren für guter Infrastruktur können dieses Modell der 2tägigen Arbeit im Ballungsraum und 3tägigen Arbeit im ländlichen Raum unterstützen. Hilfreich wären auch diesbezügliche Zentren in der Großstadt, die mit günstigen Übernachtungsmöglichkeiten diese Arbeitsform unterstützen.
- Ladenöffnungszeiten machen im ländlichen Raum mit der geringen Infrastruktur wenig Sinn und sind in den Zentren der Dörfer und Kleinstädte abzuschaffen. Damit wird der Weg für Automatengeschäfte freigegeben, aber auch für Ladenöffnungszeiten, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren. Jedes Geschäft, jedes Wirtshaus, jedes Café etc. kann dann öffnen, wann es finanziell sinnvoll ist. Natürlich ist mit der Gewerkschaft über eine zweckmäßige Arbeitszeitregelung zu verhandeln.
Man muss sich natürlich überlegen, welche Wirtschaftsaktivitäten mit diesem kombinierten Modell in den ländlichen Raum erbracht werden können.
Klarerweise IT Dienstleistungen, insbesondere Programmierarbeit, aber auch Help Desks. Desgleichen können Beratung und Steuerberatung erbracht werden. Aber auch gewisse Handwerke können in den ländlichen Raum ausgelagert werden, wobei der Großraum den Absatzmarkt darstellt (z.B. Bäckereikette Joseph). Hochqualitative Lebensmittel, insbes. Bio, ist fast evident.
Der ländlichen Raum ist eigentlich so etwas wie ein Biotop der Liberalität. Letztendlich ist man oft auf sich alleine gestellt, als Person, als Familie, als nachbarliches oder dörfliches Netzwerk. Man muss mit den Unbillen der Natur umgehen, aber auch mit den vielen Politiken und Regelungen des modernen Staates zurechtkommen und sich irgendwie bestmöglich arrangieren. Dies ist gar nicht so einfach, weil viele Regelungen schwer passen.
Leider ist der ländliche Raum eher konservativ geprägt. Es gilt das Motto: Alles soll so bleiben, wie es ist.“ Nur stimmt es nicht, dass konservative Kräfte hier helfen. Hier gilt doch, dass die Wirtschaft bestimmt und man eher zuschaut, wenn Marktkräfte die Lebensqualität und die Arbeitschancen im ländlichen Raum zerstören.
Viel eher hilft eine liberale Partei: Ein Zusammenleben mit der Natur, die große Freiheit, aber auch große Verantwortung, die Option, Dinge so zu machen wie man will, besser, lokaler, aber im Einklang mit den vielen Vorschriften europäischer und österreichischer Herkunft.
All diese Elemente sind letztendlich Liberalität in modernen Verständnis, ein freies, verantwortungsbewusstes Leben im Einklang mit der Natur.
Das ist das Konzept von NEOS-Land: ein Raum von Liberalität mit vielen lokalen und individuellen Lösungen. Dieses Ziel muss nicht nur mit passenden Regeln, sondern auch mit entsprechender Unterstützung gefördert werden.
Der ländliche Raum braucht auch die Großstadt: als Absatzraum der Produkte, als Dienstleister für Erholungsräume, und vor allem als Kooperationspartner für die wirtschaftlichen Aktivitäten. Nur mit dieser Zusammenarbeit kann der ländliche Raum wieder attraktiver gemacht werden.
Brüssel, 10.09.24es