Digitalisierung ist als Modewort in aller Munde und es fehlt fast schon in keiner politischen Sonntagsrede. Man könnte meinen, dass alles besser wird, weil sich Politiker der Sache annehmen. Leider nein, eher ist das Gegenteil der Fall.
Österreich ist ein Vorreiter der Digitalisierung der Justiz und der Verwaltung, insbes. der Finanzverwaltung. Der Verdient gebührt den Beamten, nicht den Politikern.
Das Szenario war eigentlich immer dasselbe. Ein wohlwollender Minister, ein unterstützender Sektionschef, und sehr engagierte Arbeitsgruppen, die sich mit Energie in diese Aufgabe gestürzt haben und auch bereit waren, neue Dinge mit Risiken auszuprobieren (zum Unterschied von Deutschland). Diese Vorgangsweise war höchst erfolgreich – Weltmeister bei den Transaktionszahlen in der Justiz und der Finanz, eines der besten Rechtsinformationssyssteme weltweit (RIS), und eine der innovativsten Verwaltungen im E-Government mit vielen guten Ideen zur E-Signatur, E-ID, E-Verfahren, E-Zustellung usw. Insider kennen die vielen Namen, es seien nur Oberhammer, Winter, Lachmayer oder Posch genannt.
Nunmehr haben die Minister_innen und Kabinette das Ruder übernommen; genannt seien nur Schramböck oder Tursky. Viele sogenannte Leitprojekte (Digitales Amt, E-ID etc.), aber wenig Umsetzung und Relevanz. Dies ist natürlich auch schwierig, weil Herr und Frau Österreicher eben doch selten auf’s Amt müssen und dies doch am liebsten persönlich erledigen wollen. Online mit vielen nötigen Voraussetzungen (E-ID, App, komplexe Verfahren etc.) will person sich das nicht antun. Nicht zu Unrecht, weil eben Digitalisierung ein Gesamtpacket sein muss, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, insbes. den Banken. Dazu ist es aber nie gekommen; die jeweiligen Lösungen stehen nebeneinander.
Für die Verwaltung bringt die Digitalisierung zuerst mal eine sehr nötige Prozessverbesserung. Für die jeweilige öffentliche Aufgabe muss überlegt werden, welche Daten benötigt werden, wie diese bestmöglich erhoben werden (vielfach bereits schon sowieso erfasst), welche Verfahrensschritte und Entscheidungen notwendig sind, damit eine Erledigung erfolgen kann und wie diese den Parteien zugestellt wird. E-ID und digitale Postfächer verbessern natürlich wesentlich das Kommunikationsumfeld, aber da ist noch viel zu tun – mehr als 2 Millionen E-IDs sind schon gut, aber es fehlen noch etwa 6 Millionen. Über die Transaktionszahlen selbst gibt es keine Informationen.
Interessanterweise ist die Verwaltung dort gut, wo es um ihre Interessen geht: automatisierte Verkehrssstrafen mit wirklich eindrucksvollen Transaktionen, Parkstrafen in Wien, Finanzverwaltung, usw. Mit Hilfe von KI und Textbausteinen ist die Produktion sehr gut formulierter Bescheide möglich, die von Frau und Herr Österreicher nur mehr mit Anwaltshilfe effizient bekämpfbar sind. Ein großer Erfolg, aber was bringt dies der Bevölkerung? Gefährliche Raser, Verletzer von Rettungsgassen etc., die vielen StVO-Verletzungen von Radfahrern und sogenannten Radfahrern bleiben ein viel größeres Problem für die Verkehrssicherheit als bescheidene Geschwindigkeitsübertretungen oder Parkverletzungen. Aber es ist eine neue Steuer, die nicht als solche zählt, aber viel bringt. Das wollten die Experten der Digitalisierung, zu denen ich mich aus gehöre, wirklich nicht. Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen für den Bürger, nicht mehr Strafen und Schikanen.
In den Wahlprogrammen der Parteien wird die Digitalisierung als Geldeinsparmaschine bezeichnet. Also – Ankauf von Hardware und Software rentiert sich fast umgehend durch Freisetzung von teuren Mitarbeiter*innen. Wenn es so einfach wäre (oder ein steirisches Sprichwort: Wann Kuahdreck Butta warat). Die Mitarbeiter*innen werden natürlich nach wie vor gebraucht, es bedarf ja noch mehr, weil neue Aufgaben dazu kommen – eben Entwicklung und Transformation zur digitalen Verwaltung. Es dauert Jahre, bis es die Qualität der analogen Verwaltung mit ihren jahrhundertlangen Erfahrung erreiht. Dann – und wenn die Bürger*innen auch wollen, E-IDs und digitale Postfächer haben, beginnen die Spareffekte. Zuerst bei den Zustellkosten (klingt komisch, ist aber wirklich so, weil ein RSa-Brief etwa € 50 kostet und eine digitale Zustellung max. 50 Cent, da kann man gut viel und rasch einsparen). Wenn die Prozesse funktionieren, dann spart man auch viel Personal. Die Zweigleisigkeit Online und Offline ist Wunschdenken, das geht nicht und sollte nur in einer kurzen Übergangsphase praktiziert werden. Was es mehr als bisher braucht: Help Desks (Bürgerbüros), die sich um jene kümmern, die „digital“ nicht können, als auch Kontakte zu den jeweiligen Sachreferenten und Abteilungsleitern herstellen.
4.Sep.24es