Was beim „Strategic Dialogue on the Future of EU Agriculture“ fehlt – auch offensichtlich nicht beabsichtigt war – ist eine Politikempfehlung, die aus den vielschichtigen Empfehlungen die notwendigen Abwägungen trifft und als Vorschlag eines Kompromisses dienen könnte.
Diese Aufgabe wird – in Grundzügen – die Vision für Landwirtschaft und Ernährung übernehmen, dananch folgen die Details als Vorschläge der Kommission. Nach umfangreichen Beratungen im Rat und im Parlament wird die letztliche Entscheidung – abhängig vom verfügbaren Budget – im Trilog fallen. Dies wird noch etwa zwei Jahre daueren; also Zeit, weitere Diskussionsbeiträge zu liefern.
Wie schon im Mai 2024 vorgeschlagen, ist es unumstritten, das die Direktzahlungen in dieser Form nicht mehr beibehalten werden können. Derzeit sind diese weitgehend flächenabhängige Zuzahlungen an Landwirte, ohne Rücksicht auf deren Größe. Kleine Landwirte bekommen wenig, größere oft sehr viel. Dies entspricht dem Willen der „Fischler-Reform“, „guten landwirtschaftlichen Boden“ zu erhalten, und zwar unabhängig von der Produktion.
Das größte Problem der zukünftigen GAP ist der Geldmangel. Wenn dieser nicht wäre, könnten alle Ziele des „Strohschneider-Papiers“ umgesetzt werden. Mehr Geld für die kleinen Landwirte, mehr Geld für Umwelt, mehr Geld für Ernährungssicherheit, mehr Geld für biologische Nahrungsmittel etc. etc.
Aber das Budget wird sehr wahrscheinlich nicht größer, sonderen eher kleiner. Daher ist die wichtigste Frage, wo gespart werden soll, um die Förderung der kleinstrukturierten Landwirtschaft, der biologischen Nahrungsmittel, der Umwelt, der Ernährungssicherheit etc. auch zu verbessern.
Am besten geht es Landwirtschaften, die einen guten Preis für ihre Produkte erzielen. Dies sind jene, die Direktabsatzwege haben (z.B. kleine Imker) oder einen „Namen“ haben (wie Winzer). Der Rest ist oft auf den Lebensmitteleinzelhandel angewiesen, und dieser ist bekanntlich vom Ziel geprägt, den Konsumenten möglicht billig und mit guter Qualität zu bedienen. Der Landwirt ist das schwächste Glied in der Kette und verliert oft. Die Europäische Kommission bemüht sich nun, die Stellung der Landwirte in dieser Wertschöpfungskette zu verbessern; ob dies gelingen wird, bleibt abzuwarten.
Aber die Richtung stimmt: letztlich müssen die Konsumenten einen guten Preis für gute Lebensmittel zahlen; die Billigstrategie geht auf Kosten der Landwirte und muss enden. Es bleibt nur die Frage, wie dies den Lebensmittelketten beigebracht werden kann, dass dies beim Konsumenten mit viel Mühen durchgesetzt wird. Es dürfte einen starken Druck der großen Landwirte und der Produktionsgenossenschaften bedürfen, dass hier der notwendige Sprung von Billigpreisen zu vernünftigen Preisen gelingt. Immerhin geht es hier um beträchtliche Preissteigerungen, die von der Politik mitgetragen werden müssen. Was auch nicht garantiert ist.
Aber dann – und auch schon vorher – ist es nicht notwendig, die Direktzahlungen ohne bestimmte Ziele allen zukommen zu lassen. Diese können dann im Sinne einer Kleinlandwirteförderung bzw. einer ökologischen Landwirtschaft umgebaut werden. Das Beste daran – dies ist auch mit dem jetzigen Budget finanzierbar.
Die kleinstrukturierte Landwirtschaft ist gerade für Österreich von großer Bedeutung, mit wesentlichen Effekten für den Tourismus. Daher muss der Fokus auf deren Förderung liegen, diese ähnlich einer Mindestsicherung, die im Großstädten wie Wien bereits mit akzeptablen Kosten gelebt wird (aber mit viel Verbesserungspotential). Die Butter auf Brot muss sich der Landwirt vom Markt holen, aber das Brot sollte durch öffentliche Transkationsleistungen gesichert werden.
8.9.24, Brüssel
—-
Gestern (4.9.24) wurde von Peter Strohschneider, Special Adviser to the President of the European, gemeinsam mit Präsidentin von der Leyen, das Abschlussdokument „Strategic Dialogue on the Future of EU Agriculture“ vorgestellt (Strategic Dialogue on the Future of EU Agriculture (europa.eu)).
Neben einer Bewertung der Herausforderungen und Chancen enthält der Bericht eine Fülle von Empfehlungen. Von der Leyen hat angekündigt, dass in den ersten 100 Tagen ihrer zweiten Amtszeit von der Kommission eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorgelegt wird.
Der Bericht selbst ist eine gute Zusammenfassung der vielen widersprüchlichen Ziele, wobei betont wird, dass Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugung für die Ernährungssicherheit, aber auch als Industrie eine entscheidende Bedeutung haben.
Der Zielkatalog ist umfassend. Während die wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Agrar- und Lebensmittelsektor gegenseitig verstärken werden soll, bleibt die Bedeutung von Märkten, Ernährungsgewohnheiten und Innovation unberührt.
Die Empfehlungen sind :
- „Zusammenarbeit für eine nachhaltige, widerstandsfähige und wettbewerbsfähige Zukunft: Dieser Teil zeigt auf, dass die GAP angesichts des laufenden Übergangs zu nachhaltigeren und wettbewerbsfähigeren Lebensmittelsystemen angepasst werden, die Position der Landwirtinnen und Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette gestärkt und der Zugang zu Finanzierungsquellen verbessert werden muss. Zudem wird auf die Rolle des Handels und internationaler Standards eingegangen.
- Nachhaltige Agrar- und Lebensmittelsysteme: Die Empfehlungen im Rahmen dieser Säule betreffen die Unterstützung und Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Verfahren, auch in der Tierhaltung; so sollte ein stärkeres Augenmerk auf das Tierwohl gelegt werden und es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht werden, sich nachhaltig und ausgewogen zu ernähren.
- Förderung transformativer Resilienz: Angesichts der zunehmenden ökologischen, klimatischen, geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken wird in dem Bericht betont, wie wichtig es ist, die Risikomanagementinstrumente und das Krisenmanagement zu stärken, landwirtschaftliche Flächen besser zu erhalten und zu bewirtschaften, eine wasserresistente Landwirtschaft zu fördern und innovative Pflanzenzuchtkonzepte zu entwickeln.
- Schaffung eines attraktiven und vielfältigen Sektors: In diesem Abschnitt wird die Bedeutung des Generationswechsels und der Gleichstellung der Geschlechter sowie lebendiger ländlicher Gebiete und Agrar- und Lebensmittelsysteme dargelegt, einschließlich der Notwendigkeit, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen.
- Besserer Zugang zu und bessere Nutzung von Wissen und Innovation: In den Empfehlungen wird der Schluss gezogen, dass der Zugang zu Wissen und Kompetenzen erleichtert werden muss und dass die Digitalisierung als Chance zu begreifen ist.“ (Auszug aus der Pressemitteilung).
BRUssels, 5.9.24
Reform der Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), Vorschläge Mai 2024
Reformvorschlag von Erich Schweighofer, Fassung 30.05.24
Kandidat der NEOS für die Europawahl; entspricht dem Prinzipien des NEOS Wahlprogramms, ist aber in den Details und Positionen wesentlich weiter ausgearbeitet.
Als solche noch ein Diskussionsbeitrag für die weitere interne NEOS Debatte!
Kurzfassung:
- Abschaffung der Direktzahlungen (Flächenprämien) bis 2032
- Mehr Geld für Klein und Mittelbetriebe in der Landwirtschaft durch Förderung von Berg- und Ökobauern
- Mehr Investitionsförderung für ALLE (auch Großbauern), damit der technologische Wandel durch Digitalisierung und Roboter leichter wird
- Soziale Grundsicherung auch für Bauern
- Agrarischer Datenraum für Ernährungssicherung und Umwelt entlastet Klein- und Mittelbetriebe von der Bürokratie und sorgt für ausreichende Datenbasis
Eingeweihten des Agrarrechts ist klar, dass durch die Herausforderungen der bevorstehenden Einbeziehung der Ukraine in die Gemeinsame Agrarpolitik (sehr wahrscheinlich schon vor dem Beitritt), eine grundlegende Änderung der Politik notwendig ist. Das hohe Budget von etwa 55 Milliarden EUR pro Jahr reicht nicht aus, um alle Wünsche erfüllen zu können. Eine Erhöhung ist illusorisch, eher wird auf andere Politikbereiche umgeschichtet werden.
Daher ist vorab SPAREN angesagt, und dies beginnt mit dem größten Ausgabenbrocken, den Direktzahlungen. Die seit der Fischler Reform 2003 bestehenden Direktzahlungen waren Ersatz für die Produktionsprämien, die nicht GATT/WTO-konform waren. An sich eine gute Sache, weil pro Hektar Agrarfläche in gutem Zustand eine Prämie gezahlt wird, die auch an Umweltauflagen gekoppelt ist. Es soll nur produziert werden, was gebraucht wird; falls nicht, ist eine Art Existenzminimum mit den Direktzahlungen gegeben.
Die Ukraine hat riesige Agrarflächen und Direktzahlungen würden das Budget sprengen. Weiters sind dort sehr effiziente Großbetriebe dominant, die diese Prämien gar nicht brauchen. Marktzugang ist alles, was nötig ist; natürlich bei Wahrung der europäischen Standards.
Die Direktzahlungen sollen in einem mehrjährigen Prozess ab 2028 abgeschafft werden. Eine Übergangsphase ist unbedingt erforderlich, damit sich die Landwirte an die neue Situation behutsam anpassen können.
Damit werden etwa 40 Milliarden EUR für andere Zwecke frei.
Ein wesentlicher Teil muss in die ländliche Entwicklung gehen. Gerade in Zeiten der Klimakrise ist dieser Raum als Lebens- und Erholungsraum unerlässlich. LEADER-Projekte, d.h. Verbesserung der Infrastruktur, aber auch der Ansiedlung von Wirtschaftsbetrieben, muss eine noch größere Bedeutung bekommen.
Für Österreich ist eine wesentliche Erhöhung der Förderung der benachteiligten Gebiete (Gebirge etc.) und der Ökobetriebe die Politik, um in einer Art Grundsicherung für Haupt- und nebenberufliche Landwirte das nötige Aktivitätspotential zu sichern, damit der Alpenraum so bleibt wie er ist. Einfach wunderschön, gut zu leben, und natürlich auch als Erholungsgebiet im Sommer wie Winter und damit mitverantwortlich für die wesentliche Wertschöpfung des Tourismus. Unsere geographischen Beschaffenheit als Alpenland macht es notwendig, die Räume offen zu halten, um das jetzige Potential nicht zu schmälern bzw. noch eher auszubauen.
Etwas verkürzt gesagt, würde es bedeuten, dass eben die Unterstützung für die Bergbauern und die Ökobauern etwa um die Hälfte erhöht wird dieses Geld von den Direktzahlungen genommen wird. Der kleinstrukturierten Landwirtschaft muss eine Mindestsicherung geboten werden.
Für die größeren Betriebe – nicht benachteiligt und auch nicht im Ökosektor tätig -wird es dadurch schwieriger, weil die Unterstützung der Direktzahlungen wegfällt.
Als Kompensation soll die Investitionsförderung ausgebaut werden, weil gerade diese Betriebe den Innovationsschutz durch Digitalisierung und Robotermaschinen mitmachen müssen.
An der Solidarität der öffentlichen Hand für die besonderen Erschwernisse der Landwirtschaft soll nicht gerüttelt werden. Bei schlechtem Wetter (zu warm, zu kalt, zu viel Regen, zu wenig Regen etc.) und Elementarereignissen (Hagel, Überschwemmungen, Lawinen etc.) soll es wie bisher eine großzügige Unterstützung geben. Auch die Markteingriffsmechanismen sollen bestehen bleiben.
Damit sind aber die Möglichkeiten der öffentlichen Hand erschöpft, mehr Budget gibt es nicht durch Steuerleistungen.
Das Geld muss vom Markt kommen, und zwar durch faire Preise. Die Europäische Kommission arbeitet darin, die Position der Landwirte hier zu verstärken und die Verhandlungsmacht gegenüber den Lebensmittelketten durch Kooperation (insbes. Erwerbsgenossenschaften) zu verstärken. Eine Verbesserung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs ist ebenso wichtig. Es ist ein schwieriger Prozess, aber machbar und notwendig.
Für sozial Schwache soll es eine Unterstützung der Grundnahrungsmittel geben, damit diese keine Mehrkosten zu tragen haben.
Abschließend – der Ärger mit der überbordenden Bürokratie. Diese ist einfach zu viel, kann aber recht einfach reduziert werden. Schon jetzt ist er Bauer ein gläsener Bauer – die Behörden wissen fast alles über ihn, durch regelmäßigen Überflug der Anbaugebiete, durch umfassende Berichtspflichten etc.
Diese vielen Daten sind für die Ernährungssicherheit und den Umweltschutz wichtig, können aber auch genutzt werden, um dem Landwirt das Los wesentlich zu erleichtern. Mit Einbeziehung des Bankkontos kann weitgehend automatisiert eine doppelte Buchhaltung generiert werden, die nur noch wenig Ergänzung, insbes. um die laufende Produktion, bedarf.
Die Lieferkette ist ein Bürokratiemonster, wenn diese traditionell gemacht wird. Aber mit der Blockchain gibt es eine gute Alternative. Gut entwickelt und angepasst an die Bedürfnisse der Landwirte, kann der Aufwand verteilt werden und für den Konsumenten der Ursprung der Ware dokumentiert werden.
Ein weiterer Vorteil der doppelten Buchhaltung im Vergleich zur Pauschalierung. Es würde recht rasch klar werden, welche Landwirte trotz allem am sozialen Limit leben und eine weitere Unterstützung benötigt. Hiermit kann dieser Nachweis leicht gelingen.